Mit viel Vorfreude ist die SC-Crew für euch nach Mailand geflogen, um – neben bestem italienischem Espresso, viel Sonnenschein und gut gelaunten Menschen – die feinsten neuen Teile im Bereich klassische Vespa zu finden.
Vorweg: Es haut uns jedes Jahr wieder aus den Socken, wie groß und vielfältig die Innovationen in diesem Bereich sind. Für uns ist das das Spiegelbild einer quicklebendigen und begeisterten Szene rund um die alten Schaltroller von Piaggio. Wie viel Herzblut in viele Projekte gesteckt wird, ist immer wieder ergreifend – gerade bei kleineren Manufakturen geht uns da regelrecht das Herz auf.
Polini arbeitet fortwährend an neuen Produkten für die Schaltrollerszene. Neben dem bereits 2024 präsentierten HT-(High-Torque-)Kupplungssystem für die Largeframe-Motoren kam Polini dieses Jahr mit einer echten Überraschung auf die Messe.
Ein neues Motorgehäuse PX125 und PX200 mit Membransteuerung, geeignet für originale SI-Vergaser oder wahlweise auch mit großem Einlasssystem für maximalen Power-Output.
Das neue Gehäuse ist nur in membrangesteuerter Ausführung erhältlich. Durch unterschiedliche Membranausführungen kann ein und dasselbe Motorgehäuse sowohl für die Verwendung mit dem konventionellen SI20/SI24-Vergaser samt Vergaserwanne als auch mit großem 30–34-mm-Vergaser zum Einsatz gebracht werden.
Polini verwendet für die SI24-Version – ähnlich wie Pinasco mit ihrem Smart-Motorgehäuse – eine sehr flache, liegende, jedoch klein dimensionierte Zweiklappenmembran. Sie bietet den Vorteil, dass die Aufbauhöhe extrem niedrig bleibt und so eine selbstregelnde Membransteuerung mit dem SI-Vergasertyp kombiniert werden kann. Pate stand hier LML mit ihrem sehr beliebten 5-Kanal-150-cm³-Motor. Dieses System ist einem gut aufgebauten Drehschieber natürlich nicht überlegen, bringt aber gute Alltagsqualitäten mit sich. Polini sieht offenbar auch die Beibehaltung der ab den Lusso-Modellen serienmäßigen Ölpumpe vor.
Für die großen Vergaser wird ein großer Ansaugstutzen mit konventioneller 6-Klappen-Membran aufgeschraubt. Das sehen wir als die bessere Wahl für kräftige Sportmotoren mit Alltagsqualitäten. Das Kurbelhaus selbst ist für die Verwendung mit handelsüblichen Kurbelwellen gemacht, ist also kein Oversize für breitere Kurbelwangen o. Ä. Das Einlassfenster ist von seiner Positionierung nicht so nah an den Zylinderfuß gerückt wie z. B. beim VR-One-Gehäuse.
Ebenfalls ähnlich zum Pinasco-Gehäuse ist der von der Kupplungsseite eingesetzte Wellendichtring für die Kurbelwelle. Durch diese Technik kann der Wellendichtring bei einem Defekt nicht mehr in das Kurbelhaus gelangen. Einer Austauschbarkeit des Wellendichtrings, ohne den Motor öffnen zu müssen, stehen allerdings praktische Fragen entgegen (geeigneter Abzieher für das Kurbelwellenlager sowie eine passende Einbautechnik eines neuen Lagers bei im Block sitzender Kurbelwelle). Das große Kurbelwellenlager wird durch mitgelieferte Bleche fixiert, die mit Stehbolzen/Muttern gesichert werden.
Polini zeigt einen neuen PX-Kupplungsdeckel. Dieser ist zwar nicht – wie z. B. der bgm PRO Kupplungsdeckel – aus Vollmaterial CNC-gefertigt, bringt aber dennoch einige interessante Features mit. Er verfügt über eine Erweiterung der Motorentlüftung: Vor der Entlüftungsschraube sitzt eine angegossene Tasche mit Deckel zum Aufschrauben. Darin befindet sich eine Labyrinthdichtung, welche den Austritt von hochgeschleudertem Getriebeöl unterbinden soll. Ein Betrieb mit der doppelten Menge (500 ml) an Getriebeöl soll damit möglich sein. Ein Feature, das beim bgm-Deckel im Übrigen auf andere, smarte Art und Weise gelöst wurde. Zusätzlich verfügt der Deckel über eine Eignung für Breitreifen, da er ein geändertes Profil aufweist. Ob er auch für Oversize-Kupplungen à la bgm Superstrong geeignet ist, konnten wir (noch) nicht in Erfahrung bringen.
Malossi hatte keine expliziten Messe-Highlights dabei, präsentierte aber all seine Neuheiten aus 2024:
Indirekt auch für Vespa Klassik interessant sind die Neuheiten aus 2025 – Equipment für Gabeln mit links angeschlagenen Bremskomponenten:
VMC aus Venetien hat auf der EICMA 2025 ein regelrechtes Feuerwerk an neuen Teilen abgebrannt:
Noch im Entwicklungsstadium (auf der Messe als 3D-Druckmodell) befindet sich das neue PX-Motorgehäuse mit Membraneinlass. VMC verfolgt hier einen interessanten Ansatz, indem der Einlass näher in Richtung Zylinder platziert wird sowie sogenannte Boyesen-Ports direkt vom Einlass in die Überströmer ableiten. Beide Maßnahmen sorgen dafür, dass der Zylinder ideal mit Gemisch versorgt wird und die Kurbelwelle – selbst als Vollwange – kein Strömungshindernis mehr ist. Ein weiteres Gimmick ist die nun von oben zu befüllende, ausreichend große Einfüllöffnung für das Getriebeöl; zusätzlich soll sogar ein Peilstab integriert werden. VMC verwendet auf der Limaseite ein stabiles Rollenlager mit den von T5/Rally200 bekannten Dimensionen (NU205).
Der bekannte Stelvio-Zylinder bekommt jetzt einen Bruder, der als direkt gesaugte Variante mit Membraneinlass ausgerüstet ist. Vorteil: Der Zylinder kann Plug-and-Play auf einen originalen Motor montiert werden und hat dort sofort ein beachtliches Leistungspotenzial, da die originale Einlasssteuerung stillgelegt wird. Das Gemisch strömt direkt durch den Zylindereinlass in den Motor und ist somit weniger limitiert als durch den originalen Drehschiebereinlass über die Kurbelwelle. Der neue große Keihin-PWK28-Vergaser zeigt mit diesem System nach hinten; ein 180° gekrümmtes Ansaugrohr leitet die Luft wieder nach vorne zum Anschluss an den originalen Ansaugschlauch. Laut VMC soll die Leistung auf Niveau des 213 Ranger liegen – wir sind gespannt.
Auch hier arbeitet VMC an einer direkt gesaugten Variante, die im Herbst 2026 kommen soll. Das Layout des Zylinders bleibt prinzipiell, wurde aber durch einen Direkteinlass ergänzt. Leistungsaussagen gibt es noch nicht; wir gehen davon aus, dass im Minimum die Leistung eines gut gemachten Drehschiebereinlasses locker erreicht oder übertroffen wird.
VMC hat auch ein Herz für die kleineren Hubraumklassen. Neben dem bekannten direkt gesaugten RVA-110-cm³-Zylinder werden bald auch konventionelle Zylinder im Hubraum 85 cm³ (Ø 50 mm) und 115 cm³ (Ø 58 mm) für die Smallframe-Motoren erscheinen. Diese verfügen über ein modernes Porting-Layout; die Kanalgeometrien sind heutigen Standards entlehnt und sollen leistungsfähiger als die bisherigen Protagonisten in diesem Segment sein. Die Zylinder kommen sowohl in Grauguss als auch in Aluminium mit verschleißfester Nikasil-Beschichtung.
PX-Box-Auspuff: optisch etwas polarisierend, aber mit sehr interessanten Ansätzen. Die Krümmerlänge lässt sich am Wechselkrümmer mittels Spacern variieren, und die Halterung kann parallel dazu verschoben werden. So lässt sich die Nenn-/Leistungsdrehzahl in Richtung niedrigerer Bereiche verschieben. Der Wechselkrümmer (für PX125 oder PX200) ist mit O-Ringen an beiden Seiten versehen. Die Aufhängung ist mit Silentgummi ausgestattet, um Vibrationen und Spannungsrisse zu vermeiden. Zur Beeinflussung von Lautstärke und Temperatur lässt sich das Auslassröhrchen gegen unterschiedliche Varianten austauschen. Die Innenwand zur Dämpferkammer ist direkt mit der Auspuffaußenschale verschweißt (nicht mehr im Lochblech der Dämmung). VMC beschreibt die Charakteristik als „torquey“, also mit früher, hoher Drehmomentabgabe.
Die bereits bekannte VMC-Ergal-Kupplung wird es nun auch in einer 5-Scheiben-Version geben. Durch eine gekröpfte Deckscheibe (auch für mehr Stabilität) gibt es nun Platz für fünf Scheiben. So kann die Federkraft bei gleicher Drehmomentübertragung verringert werden.
Bereits 2024 erstmals präsentiert, ist die Bremspumpe zum direkten Anschrauben an den Lenker nun serienreif. Sie besticht durch ihre einfache Montage im Schacht für den originalen Bremshebel und verfügt über einen leicht nach unten gekröpften Bremshebel für sportliches Fahren.
Noch in der Entwicklung, aber bereits als weit gediehene Prototypen zu sehen: eine Komfortsitzbank im Stil einer Vespa-GTS-Sitzbank mit hydraulischem Dämpfer zum Öffnen/Offenhalten.
Ebenfalls noch in der Entwicklung: eine Bremsscheibennabe für Vespa PX vorne im Design der klassischen Bremstrommel.
Ebenfalls noch in der Entwicklungs-/Testphase sind eine Ciao-Auspuffschnecke sowie Zylinder. Wir sind gespannt!
Dell’Orto hat zur erneuten Präsentation ihres PHDG-Vergasertyps eine wunderschöne Vespa SS90 von Fabbri Racing gezeigt, auf der publikumswirksam ein PHDG-24-mm-Vergaser auf dem Fabbri-180-Kit mit Vergaserposition nach vorne – aus der Seitenhaube heraus – montiert war. Inwiefern der Vergaser tatsächlich ein derart leistungsstarkes Zylinderkit ausreichend befüllen kann, lassen wir offen, aber der große Ansaugtrichter machte auf jeden Fall Eindruck.
Der PHDG-Typ, der wie eine Mischform aus altem PHBG und Polini-CP-Vergaser wirkt, ist u. a. auch als direkter Ersatz für den klassischen SHBC19-Vergaser der Vespa-125-cm³-Smallframe-Modelle erhältlich. In wunderbar klassischer Manier – mit einem Ansauggitter anstelle eines Luftfilters – ist er ohne Modifikationen direkt auf dem originalen Ansaugstutzen montierbar. Eine Ø 21-mm-Variante ist als SHBC-Ersatz ebenfalls erhältlich. Mit konventionellem Anschluss (Steckverbindung für den Verbindungsgummi) ist der PHDG in 18, 19, 21 und 24 mm Durchmesser verfügbar.
Pinasco begeistert immer wieder mit gelebter Passion für das, was sie tun. Als relativ kleines Team stemmen sie viele Projekte und sind zusätzlich aktiv im Renngeschehen unterwegs. Gezeigt wurden einige, bereits 2024 präsentierte Projekte, die nun final die Marktreife erreicht haben. Ein bereits sehr altes Produkt, das nun durch eine weitere Farbvariante ergänzt wurde, ist der Bananenauspuff, der nicht nur im legendären Weiß, sondern nun auch in einer schwarz glänzenden Variante erhältlich ist. Der Clou: Es handelt sich um eine Keramikbeschichtung, die sich nicht verfärbt.
Weitere präsentierte Teile waren:
Unser persönliches Highlight: Andrea Pinasco persönlich war am Stand und schenkte Ulf und Uwe ein Buch seiner Lebensgeschichte mit persönlicher Signatur. Dazu später noch mehr – danke, Andrea!
Ein Highlight für Kollege Frank war eine Zufallsbegegnung am Rande des Geschehens: King of Mountain John McGuinness, 23-facher TT (Isle of Man)-Sieger, stand am Wegesrand, und Frank nutzte die Chance für einen Schnappschuss. Nicht, dass er es nötig hätte, aber wenn etwas von seinem Talent jetzt noch zusätzlich in Franks Gashand steckt, werden sich viele warm anziehen müssen.
